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OÖN vom 1.7.1999 CLAUDIA RIEDLER
"Velo"-Bote bei jedem Wetter auf der Überholspur
LINZ. In 13 Minuten vom Schillerpark zur PLUS-City.
Das ist sein Rekord, mit dem er - nicht nur zu Stoßzeiten - jedes Auto
schlägt. Stefan Gottinger (24) ist einer der "Velo"-Fahrradboten, die
selbst bei Schnee und Eis noch auf dem Radl sitzen.
"Früher bin ich ein bißl Fahrrad gefahren, dafür hab' ich umso mehr geraucht",
erzählt der BWL-Student von der Zeit "davor". Erst als er vor fünf Jahren
begonnen hat, als Fahrradbote sein Studium zu finanzieren, ist er auf
den Sporttrip gekommen. "Jetzt fahre ich Mountainbike-Rennen in ganz Österreich",
sagt Gottinger. Zweimal habe er bereits beim Waldviertelcup den dritten
Platz belegt, "gesteht" der bescheidene Mühviertler mit Studien- und Wohnsitz
in Linz nach einigem Nachfragen.
90 bis 140 Kilometer legt Stefan Gottinger an seinem "Botendienst-Tag"
- einmal pro Woche - zurück. Das trägt zumindest ein bißchen zum Training
bei. "Vor allem aber macht es mir Spaß", sagt Gottinger, der sich das
Botenfahren durchaus als Hauptberuf vorstellen könnte.
Auch im Winter? "Solange man sich bewegt, ist es zu keiner Jahreszeit
kalt. Ungemütlich wird's erst bei Eis- oder Schneeregen. Dann hält die
beste GoreTex Jacke nicht mehr und man kühlt sehr schnell ab", erklärt
der Cityflitzer. Für spiegelglatte Eisfahrbahnen hat er sich vor einigen
Jahren Schneeketten fürs Fahrrad gekauft. "Damit komme ich auch an den
eisigsten Wintertagen überall hin", weiß Gottinger aus mehreren Wintern
Botendienst. Wenn die Radler durch und durch naß sind, bleibt immer noch
das Gebläse beim Linzer Passage - in Insiderkreisen "Velo-Botentrocknungsanlage"
genannt.
"55 km/h muß ich fahren, um bei grüner Welle durch die Humboldstraße zu
kommen", erzählt der schnelle Bote. Im Schnitt flitzen die Velo-Fahrer
mit Tempo 30 durch Linz. "Radwege sind bei dieser Geschwindigkeit lebensgefährlich."
Für Autos, die aus Einfahrten herauskommen, sei der Bremsweg zu lang.
"Einmal bin ich über die Motorhaube eines Autos abgestiegen", erzählt
der Fahrradprofi. "Das war aber meine Schuld." Ansonsten sei noch nie
etwas passiert.
Die Polizei hat angeblich kein Verständnis für "dringende" Botenfahrten.
Beispielsweise, wenn ein Packerl von der Spittelwiese in fünf Minuten
zum Bahnhof gebracht werden muß. Da könne es schon passieren, daß die
Straßenverkehrsordnung etwas freizügiger ausgelegt wird. "Wenn uns ein
Polizist erwischt, müssen wir eben bezahlen", sagt Gottinger.
Mehr "geschimpft" werden die Botenfahrer ohnehin von den Kollegen im Auto.
"Bleib' doch auf dem Radlweg", bekommen die Biker manchmal zu hören, während
sie Kolonne um Kolonne überholen. "Manche verkraften es einfach nicht,
daß wir auf dem Fahrrad schneller sind", glaubt Gottinger den Grund dafür
zu kennen. "Die meisten Autofahrer sind aber in Ordnung."
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